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Donnerstag, 18. Juli 2013

In Upflamör oder anderswo

... seifeln tun wir sowieso. Diesmal hieß Upflamör Billafingen, und fand statt in einem alten Pfarrhaus mit bunten Glastüren und knarzenden Dielen in der bukolischen Landschaft Oberschwabens. Seifensteine, vulgo "Soaprocks", standen auf dem Programm und dazu etwas, was ich bis dahin noch nie gewerkelt hatte, nämlich Badetörtchen und -pralinen, beides natürlich wieder nach Rezepten von Sannyas und beides Luxus pur. Die Gruppe war klein, weiblich und großartig, und das Wetter war einfach nur großartig.
Soaprocks - Warum sollte jemand den Wunsch verspüren, in stundenlanger Arbeit eine aufwändige Transparentseife zu sieden, nur um einen Teil davon mit verschiedenen Micafarben sofort wieder ihrer Durchsichtigkeit zu berauben? Warum die bunten Blöcke danach in kleine Bröckchen verhackstücken und diese mit Goldpulver und weiterer Transparentseife in versetzte Schichten gießen, was wiederum Stunden dauern kann? Ganz einfach, weil dieser Jemand über den Luxus freier Zeit verfügt und sich daran freut. Und hat eigentlich jemals jemand Reinhold Messner gefragt, warum er auf den K2 gestiegen ist? Genau. Seifensieder können ein Gebirge an märchenhaft bunten, wunderbar unpraktischen, aber auch wunderschönen Seifenedelsteinen mit nach Hause nehmen. Der K2 steht noch an Ort und Stelle, wahrscheinlich bereichert um einige zurückgelassene Zehen, ein Opfer, das wir nicht bringen mussten. Uns genügte der Einsatz von Fantasie und Geduld. 
Gebirge mit Fingertapsen, meine Seifensteine (Seife Nr. 71):




Und die Badecupcakes? Ein einfach und schnell gemachter Luxus der Extraklasse für Badewannen und Badewonnen. Obwohl der Spritzsack (warum klingt etwas so Harmloses bloß derartig unanständig?) und ich nicht gerade gut Freund sind (das wird ja immer schlimmer!), hat es mir dieses Mal richtig Spass gemacht, mit dem Spritzbeutel zu hantieren (grrrr) und die Törtchen - wenigstens einige davon - sowie die Herzen und Knubbelwubbel zu verzieren.




Gefärbt sind die Dingerchen mit Blaupaste und beduftet mit einer sehr intensiven Mischung aus Baby Cotton und Scottish Blossom Honey.
Aber Upflamör wäre nicht Upflamör, bwz. Billafingen nicht Billafingen, wenn nicht noch jede Teilnehmerin alle möglichen Bastel- und Werkarbeiten nebenher gelernt und gelehrt hätte. Da war zum einen Anke, die mit zwölf Litern Silikon angerückt ist, das uns in einen wahren Abformrausch versetzt hat. Also nein, nicht was ihr schon wieder denkt! Nein, nur Zikaden, Gummibärchen (eher Gummigrizzlies), Muscheln, Schnecken, Schrauben, Krokodile, Lego- und Kieselsteine, Lastwagen, Hinterteile und Bergmassive wurden abgeformt. Ich hatte eine kleine Krokodilseife und Seifenzikaden aus Südfrankreich dabei, von denen ich unbedingt eine Silikonform wollte. Und um die Seifentauglichkeit der neuen Formen zu testen, wurden sie gleich oder in meinem Fall erst zuhause mit den geschmolzenen Schnipselresten der Seifensteine ausgegossen.
Bei meinen Zikaden (fiese Aliens mit Eingeweiden, huh) habe ich noch einen Rest gekaufter Transparentseife zu Hilfe genommen:





Und auch die kleine Krokodilform ...



... sowie den aus dem Seifenformenpaket ertauschten Buddha und die Blattform konnte ich noch mit dieser Mischung befüllen:




Ich hatte auch meine Papiermaschine nach Upflabill mitgenommen und Doro ganze Massen an Stempeln. Die anderen haben damit wunderschöne Briefkarten und Anhänger gemacht. Aber ich habe mich vornehm zurückgehalten; denn - jubelhüpfundtrallala - Doro hatte wieder die Perlenwerkstatt dabei. Und der Brenner war nur für mich. Sei es weil meine härtesten Mitbewerber dieses Mal nicht am Workshop teilnehmen konnten, sei es, weil ich mein grimmigstes Gesicht aufgesetzt hatte, jedenfalls blieb ich ohne Konkurrenz beim Glasschmelzen. Reiner Luxus! Ich hätte also durchaus Zeit und Muße für schöne Perlen gehabt, aber ich habe lieber Eulchen und Waldschrate fabriziert.



Und ein paar relativ normale Perlen zur Auflockerung sind auch entstanden:



Und nein, die Eulen und Schrate haben nichts geraucht. Sie verdrehen ihre Augen nur wegen der ungeheuerlichen Verdächtigungen!
Am Sonntag haben wir uns schweren Herzens verabschiedet und wieder in alle Windrichtungen zerstreut. Ich musste mich aber noch ein bisserl herumtreiben, das Wetter war zu schön und die Gegend auch. Zuerst habe ich dem ehemaligen Kloster Heiligkreuztal, seiner netten Kirche und den dazugehörigen Klostergärten einen kurzen Besuch abgestattet.
Ich finde, dass der Herr in Pilgertracht, wahrscheinlich der hl. Jakobus, der an einem der Altäre vor sich hinbrütet, gar nicht so grämlich dreinschauen müsste, denn die Kirche ist hell und freundlich mit einem hübschen Gewölbe.



Die Klostergärten sind aufgeräumt, klar gegliedert, mit vielen Durchblicken und Diagonalen, aber nicht protzig oder aufgerüscht.




An den Mauern hin und wieder Rosen, die sich in der Sonne räkeln:


Ein verstecktes Kreuz an einer alten Mauer, in seiner Schlichtheit ganz besonders anrührend:


Und einen Klosterweiher gibt es auch, mit Steg und Inselchen und einer ordentlichen Menge fetter, blühender Mummeln:


Manche der alten Bäume sind neugierig und riskieren einen sehnsüchtigen Blick über die Mauer in die Außenwelt:


Alles in allem ein Ort der Ruhe, ein Ort, um die Seele zu lüften. Trotzdem bin ich nicht dort geblieben, sondern, reich beladen mit Weihrauch aus dem Klosterladen, ein paar Kilometer weitergefahren, zur Heuneburg, vom Tal auf die Höhen, vom Mittelalter zurück in die Bronzezeit. Da ich meinen Fotoapparat im Auto vergessen hatte, bleiben euch Detailfotos meines Rundganges erspart. Es wäre auch schwer gewesen, mit meiner Winzkamera den großartigen Rundumblick einzufangen, den man von dieser Höhenburg aus hat. Das Areal selbst ist ja fast leer, denn richtig interessant wird es erst unter der Grasnarbe. Nur die Rekonstruktionen einiger keltischer Häuser sind über die Anhöhe verteilt, von denen das größte überraschend geräumig ist. Fragt sich natürlich, wie viele Menschen es gleichzeitig beherbergen musste. Innen sind die Häuser aus Holz und Lehm angenehm kühl, und die steilen Dächer sind zum Teil mit blühenden Fetthennen und Hauswurzen bewachsen, was mir besonders gut gefällt. Unterhalb eines rekonstruierten Mauerstücks weiden Ziegen und unten fließt die noch junge Donau faul vorbei. Ein leises Lüftchen, hüpfende Heuschrecken, Leute lachen, auf dem alten Wall wachsen sommerduftende Kräuter und Wildblumen - Skabiose, Schafgarbe und Johanniskraut. Die Bienen summen, weiter unten hat jemand einen Schwung Bienenstöcke aufgestellt. Das muss ein ganz famoser und geschichtsträchtiger Honig werden. Was für ein schöner Platz! Die alten Kelten hatten wirklich ein Gespür für besondere und kraftvolle Orte.
Aber irgendwann musste ich doch den Rückweg zu meinem Auto und in die Jetztzeit antreten. Wieder vereint mit meiner Kamera bin ich auf den höheren der beiden rekonstruierten Grabhügel gestiegen. Ich hoffe der Hausherr hat es nicht krumm genommen, dass ich es mir noch eine Weile auf seinem Dach gemütlich gemacht und den Bussen auf der anderen Seite, ein bisschen im Schönwetterdunst, gegrüßt habe. Und dort oben ist mir auch klar geworden, welches Gedicht schon während meines Spazierganges die ganze Zeit im schläfrigen Grundrauschen meines Oberstübchens gelauert hat. Oberon von Wilhelm Lehmann natürlich, für mich DAS Sommergedicht an sich und eines meiner liebsten Gedichte überhaupt.
Nachdem ich mich beim Herrn des Hügels artig für die Gastfreundschaft bedankt hatte und der Abstieg glücklich überstanden war, gab es noch ein Foto der Heuneburg aus der Ferne (Ätsch! Habe ich euch doch erwischt!). Ist dieses einzelne Wölkchen im Himmelsblau nicht grandios in seiner tapferen Einsamkeit?


Zwischen Feld und Parkplatz steht dort auch eine wilde Kirsche mit süßwürzigen Früchten.



Dass keine dieser schwarzroten Köstlichkeiten mehr in dem Baum hängt, könnt ihr euch denken. Zwar werden die Amseln ziemlich beleidigt gewesen sein, aber eine kleine halbe Stunde lang, habe ich genüßlich eine Kirsche nach der anderen direkt in meinen Mund geerntet, soweit ich eben reichen konnte. Es ist schon wahr, ein bisschen was vom Paradies lässt sich überall finden.
Auch dass ich die Heimfahrt in einer wabernden Wolke aus Scottish Blossom Honey, Baby Cotton und Herbs Ex durchstehen musste, konnte meine Zufriedenheit nicht ins Wanken bringen. Doch das nächste Mal werde ich in Billamör meine Parfümöle sorgfältiger auswählen oder vielleicht weniger Kirschen essen. Mal sehen.

miscellanea

21 Kommentare:

  1. Antworten
    1. Danke für das Lob!
      Petra
      *verbeugt sich und errötet*

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  2. Du triffst das Wochenende mal wieder auf den Punkt.....

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  3. Du solltest Reiseberichte schreiben...
    Schön, dass Du so ein tolles WE hattest und ich habe wieder total gerne davon gelesen.
    GLG

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    1. Um Reiseberichte zu schreiben, muss man erst mal von zuhause fort kommen. ;-))) Da sieht es dieses Jahr bei uns eher mau aus. Mal hier ein Tag, mal dort ein Tag. Wir haben irgendwie nicht richtig Zeit.
      Na ja, dann eben Seifeln, Handarbeiten, Bloghüpfen und auf nächstes Jahr hoffen.
      Petra

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  4. Oh, alles so schöne Sachen die du da gemacht hast. Da wäre ich gern dabei gewesen.

    GLG
    Renate

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    1. Komm doch mal mit ins kreative Chaos von Upflamör: Anregungen für Handarbeiten aller Art und Seifen, der Charme eines alten Landschulheims und ein Haufen Seifenverrückte erwarten Dich.
      Petra

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  5. Wah!!!, die Zikaden möchte ich auch haben. Wie geil ist das denn!

    Ihr wart wieder so fleißig und ich beglückwünsche Dich zur alleinigen Benutzerin des Glasschmelzers -grins-

    LG
    Eva

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    1. Hallo Eva,
      es war super, so ohne Warteschlange ein Perlchen nach dem anderen zu drehen.
      Ich werde eine Umfrage starten. Vielleicht will ja noch eine Zikade mit in Dein Päckchen.
      Wie geht es eigentlich der Zwergtrüffel?
      Petra

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  6. Ich beneide Dich soo sehr! Es war wieder ein buntes Program, mit vielen Seifen.;)
    Unsere Madonna in die Kirche in Ungarn, haben meine Vorfahren aus Bussen mitgebracht. Deshalb liegt mir das besonders am Herzen.:)

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    1. Hallo Judit,
      das ist sehr interessant. Eine Verbindung über Jahrhunderte hinweg, zwischen Deinem Dorf und dem Hl. Berg Oberschwabens. Eine schöne Vorstellung.
      Petra

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  7. Irgendwann möcht ich auch mal dabei sein!!! Allerdings musst du dann den Gasbrenner zum Perlendrehen mit mir teilen! ;P

    Deine Werke jedenfalls können sich sehen lassen! Die Soaprocks haben es mir besonders angetan!!!

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    1. Da hilft nur mitmachen! Mit Dir würde ich auch den Brenner teilen.
      Petra

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  8. wunderschöne Soaprocks, habe mich da einfach noch nicht ran gewagt,diese Tierchen sind auch klasse...
    LG
    Sibylle

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    1. Die Soaprocks sind zwar zeitaufwendig herzustellen, v.a. auch wegen der TS, aber das Prinzip ist ganz einfach. Trau Dich nur!
      Petra

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  9. Die Soaprocks haben genau meine Farben... wunderschön!
    Es freut mich, das ihr ein schönes Wochenende und ganz viel Spass hattet. Tolle Fotos!

    lg,
    Katrin (Grenadine)

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    1. Ich bin immer gerne in Upflamör und finde es dort sehr anregend. Allerdings brauche ich, wenn ich wieder zuhause bin, jedes Mal eine Schlafkur.
      Petra

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  10. Die Soap Rocks sind wurderschön geworden und die Badetörtchen auch. Deine Reiseberichte lese ich gerne, sie sind so lebendig und anschaulich und mit tollen fotos versehen.
    LG
    Marianne

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    1. Hallo Marianne,
      es freut mich, dass Dir meine Berichte gefallen.
      Die Seifensteine herzustellen, hat großen Spass gemacht, weil wir Zeit hatten und in Ruhe werkeln konnten.
      Petra

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  11. Toller Bericht..macht wirklich Spaß zu lesen :-)Klasse das ihr ein schönes Wochenende und viel Spass hattet. Und nicht zu vergessen echt tolle Bilder!Viele Grüße Mel

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Ich freue mich über euere Kommentare. Danke, dass ihr euch die Zeit dafür nehmt :-)))

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