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Samstag, 19. Oktober 2013

Sappho (Seife Nr. 75)

Wie viele gute Dinge, aber natürlich beileibe nicht alle, stammt meine Sapphoseife aus einer besseren Zeit, was in den meisten Fällen längst vergangene Tage, in meinem Fall nur die Zeit vor dem Chaos meint. Und ihr wisst, welches Chaos mir vor Augen steht. "Gut" bedeutet, was diese Seife betrifft, nicht problemlos, nur, dass meine Bemühungen letztlich etwas Brauchbares hervorgebracht haben. Hoffentlich gilt das auch für die Arbeit der Handwerker, und hoffentlich kommen die Fenster wie zugesagt in der letzten Oktoberwoche.
Aber zurück zu Sappho.
Sappho wurde um zwischen 630 und 612 v. Chr. geboren und starb um 570 v. Chr. Sie war eine griechische Dichterin und gilt als bedeutendste Lyrikerin des klassischen Altertums. Sie lebte auf der Insel Lesbos, umgeben von einem Kreis junger Schülerinnen, und in ihren Gedichten spielt die erotische Liebe eine wichtige Rolle. Dass sie sich aus unglücklicher Liebe zu einem jungen Mann von einem Felsen gestürzt haben soll, ist wohl nur eine Legende aus späterer Zeit.
Nach heutigen Schätzungen sind nur etwa sieben Prozent ihres Gesamtwerks erhalten geblieben. Sapphos Werk wurde in der Antike in neun Büchern gesammelt, die heute alle verloren sind. Einige ihrer Gedichte wurden erst in den letzten Jahren auf alten Papyri wiederentdeckt.
Sappho hat in der Antike viele Dichter beeinflusst. Sogar eine Strophenform, die Sapphische Strophe, ist nach ihr benannt worden. Aber auch die über die Jahrhunderte immer wieder aufflammende Wertschätzung ihrer Werke hat ihr Oeuvre nicht vor der fast völligen Vernichtung bewahrt. Wie bei vielen Künstlerinnen sind auch ihr Werk und ihre Person immer wieder nach dem herrschenden Frauenbild uminterpretiert worden. Nicht zuletzt sind viele ihrer Werke nach und nach gerade deshalb getilgt worden, weil sie von einer Frau stammten, noch dazu von einer, die der Frauenliebe verdächtigt wurde, etwas das das herrschende Patriarchat nicht wirklich gut vertragen konnte.
So oszilliert das Bild, das sich die Welt von ihr gemacht hat und noch macht, in den fast 2600 Jahren seit ihrem Tod zwischen den Extremen „begnadete Dichterin“ und „lasterhaftes Weib“. Das, was Sappho eigentlich ausgemacht hat, ihre Lyrik nämlich, die in der Antike so hoch geschätzt worden ist, ist in den Wirren der Geschichte faktisch verloren gegangen.
Als im Seifentreff die Themenseife "Großartige Frauen" lockte, habe ich mich also daran gemacht, einige der oben angeführten Gedanken und Wissensfetzchen in eine Seife umzusetzen und Sappho ein schäumendes Denkmal zu setzen.

Zuerst natürlich die Fette und Öle:
Kokosfett: Hat nichts mit Lesbos und Sappho zu tun, bringt aber Schaum und musste deshalb mit in die Seife und sei es nur wegen der Schaumkronen der Meereswellen, die an die Strände der Insel schlagen.
Lanolin:  Eine griechische Insel und Schafe, das gehört doch zusammen.
Bienenwachs und Honig: Seit Urzeiten gebräuchliche Werk-, Genuss- und Arzneistoffe. Darüber hinaus stehen beide für die Biene. Und die symbolisiert unter anderem Wortgewandtheit und Intelligenz. Zwei Gaben, mit denen Sappho sicher gesegnet war. Im Hebräischen haben die Begriffe Biene und Wort sogar dieselbe Wurzel.
Mandel- und Olivenöl: Mandeln und Oliven sind alte Kulturpflanzen. Sie haben schon zu Sapphos Zeiten die Menschen genährt und verschönert.
Distelöl: Die Distel ist zwar das Nationalsymbol Schottlands, doch ist im Zusammenhang mit Sappho eine andere Eigenschaft der Distel wichtig: Sie will nicht verwelken. Sie wehrt sich gegen das Vergehen. Ein Teil von Sapphos Werk, und sei er noch so winzig, hat das auch geschafft. Er blüht noch nach Jahrtausenden.

Und da wäre noch der Duft:
Nur wenig Duft, nicht zu intensiv, eher eine Erinnerung, so wie Sapphos Ruhm fast verblasst ist, aber eben nur fast. Wie ich die Seifendüfte, vor allem die verwendeten ätherischen Öle kenne, werden sie gewiss nicht so lange aushalten wie die Reste der Poesie der Dichterin.
Zitrone (PÖ), unterstützt von Orangenblüte: Sappho hat einen Teil ihres Lebens im Exil auf Sizilien verbracht. Und wo, wenn nicht in Sizilien und Italien, blühen die Zitronen, wie wir spätestens seit Geheimrat Goethe wissen?
Lorbeer: Ob Dichter oder Dichterin, der Dichterlorbeer gehört dazu. Es heisst ja nicht umsonst "poeta laureatus".
Lavendel: Passt einfach gut zum Zitronenduft und den ätherischen Ölen. Und es muss ja nicht immer alles eine Bedeutung haben.
Verbene und Rosmarin: Das krautige Element - Der Wind auf kargen Hügeln raschelt in den duftenden Kräutern (huch, es geht mit mir durch).

Das Rezept hätten wir also beisammen:

Für den weißen Seifenleim:
150g Kokosfett 
250g Distelöl (high oleic)
150g Olivenöl
200g Mandelöl
5g Bienenwachs (weiß)
1 Teel. Salz für die Lauge
Farbe: 1 Teel. weiße Tonerde
Überfettung: 5-6%

Für den goldbraunen Seifenleim:
50g Lanolin
100g Kokosfett
250g Distelöl (high oleic)
150g Olivenöl
200g Mandelöl
5g Bienenwachs (weiß)
1 Teel. Salz für die Lauge
Ganz wenig Honig
Farbe: Blassgold (VvW), Goldpulver (bhw)
Überfettung: 5-6%

Duft:
Zitrone, Lorbeer, Rosmarin, Verbene, Lavendel, Orangenblüte

Die Seife und ihre Form:
Die gute Sappho ist leider so bröckelig wie die Erinnerung an die Poesie ihrer Namensgeberin. Ich hoffe aber, ihr könnt erkennen, was ich abbilden wollte. Das goldene Dreieck steht für Sapphos Werk und seine Rezeption über die Zeiten hinweg. Gefärbt mit Blassgold und Mica, eingebettet in eine neutrale, helle Seife. Zu Sapphos Zeiten war ihre Dichtkunst weithin berühmt, ebenso wie sie selbst angesehen und geachtet war. Deshalb ist der goldene (ähm braungoldene) Bereich an der Basis, der Stempel mit ihrem Namen vollständig. Der Stempel - zum Teil in das Gold, zum Teil in die helle Seife gebettet - zeigt, wie sehr Sappho und ihr Werk in ihrer Zeit und durch die Antike hin, Bestandteil des kulturellen Lebens waren. Später dünnt das Wissen über sie und ihr Werk immer mehr aus, und wir, quasi an der Oberfläche der Seife, sehen nur mehr winzige Reste ihres Wirkens, die aber immer noch golden glänzen, eben wahre Poesie.






Und was gab es schon wieder für Probleme beim Sieden?
Im Gegensatz zum Hochmut war Sappho richtig brav. Trotzdem habe ich einen Vorversuch und zwei Sapphos sieden müssen, um zu einem einigermaßen brauchbaren Ergebnis zu kommen.
Beim Vorversuch habe ich noch zusätzlich einige Gramm echtes Lorbeeröl in den Seifenleim gerührt, aber das Dreieck war zu flach. Mit dem weißen Leim wäre die Seife viel zu breit geworden. Also habe ich dem verlorenen Anteil von Sapphos Werk ein Denkmälchen gesetzt, dem goldenen Dreieck die Spitze abgehobelt und den Barren mit Sapphos Namen gestempelt.




Der erste Versuch vom 17. August mit goldenem und hellem Seifenleim wollte einfach nicht aushärten. Noch nach sechs Wochen gab die Seife auf Fingerdruck ziemlich nach. Und als ich sie dann endlich doch stempeln wollte, ist sie zerbröselt. Die wenigen Stücke, die noch ganz waren, haben dann beim Einpacken den Geist aufgegeben. Wahrscheinlich ein Zuviel an Ölen durch einen Wiegefehler; denn zu viel NaOH war es nicht. Die Seife ist sehr mild. 
Beim zweiten Versuch vom 25. und 26. September hat es dann besser geklappt. Diese Seifen konnten zu den anderen Teilnehmerinnen bei "Großartige Frauen" auf die Reise gehen.

Die Beigabe:
Eine von mir selbstgemachte Würzkräutermischung aus Oregano, Petersilie, Paprika, Knoblauch, Thymian, Pfeffer, Rosmarin und natürlich Minze hat sich mit auf den Weg zu meinen Mitstreiterinnen gemacht, für einen griechisch angehauchten Duft in der Küche.



Und damit ihr euch vorstellen könnt, welcher Art vielleicht das verlorene Werk Sapphos war, hier zwei meiner Lieblingssplitter:

Eros hat mir die Sinne geschüttelt.
So wie ein Sturm in die Eichen des Bergwalds fällt.

Untergegangen ist zwar der Mond
Und die Pleiaden. Nachtmitte schon
Und vorbei geht die Stunde.
Ich aber liege alleine.

(Σαπφώ)

Das ist doch Sehnsucht pur, gleicherweise zart und stark. 
Aber die Welt hat es vorgezogen, Werke wie die unbestritten meisterhaften, aber blutrünstigen und kriegerischen Dichtungen Homers zu bewahren und Sappho und ihr Werk am Weg zurück zu lassen, wie überhaupt Heldentum und Kampf in Erzählungen und Gedichten viel lieber erinnert werden, als die Freuden des Lebens.
Und was sagt das aus über die menschliche Natur? Ich hoffe, nicht allzu viel.

miscellanea

5 Kommentare:

  1. wieder einmal klasse Geschichte und ebenso umgesetzt,der liebe Seifenklausi ist eben ab und an immer bei der Seifensiederei mit dabei. Hast aber wieder alles zum positiven Ende gebracht...
    lieben Gruß
    Sibylle

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  2. Das ist eine tolle Seife geworden und die Beigabe hört sich so richtiog lecker an. Deine Erläuterungen zur Seife sind mal wieder umfassend und informativ - super.
    LG
    Marianne

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  3. Großartig umgesetzt! Themenseifen sind ja immer eine Herausforderung und wenn sie so ernsthaft angegangen werden find ich das klasse. Alles passt und die Stempel sind ja das i-Tüpfelchen. Dank für die interessanten Details, lg Anke

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  4. Liebe Petra,
    von Seifen verstehe ich nichts, aber von griechischen Buchstaben und deren Landschaft. Kann es sein, dass das "Haus mit Zypressen" in der Toscana entstanden ist !?!
    Trotzdem, ich freue jedesmal sehr über deine geist- und lehrreichen Geschichten....Und ich habe dadurch noch immer eine Verbindung zu meinen Freisingern. DANKE

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    1. Das "Bild" ist der Deckel einer alten Plätzchenschachtel. Ich habe einfach auf die Schnelle kein griechisches Motiv gefunden, das groß genug gewesen wäre, um die Seifen davor zu fotografieren.
      Liebe Grüße
      Petra
      :-)))

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Ich freue mich über euere Kommentare. Danke, dass ihr euch die Zeit dafür nehmt :-)))

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