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Sonntag, 1. Juli 2012

Tage mit Saibling

Was kann der Mensch in seiner freien Zeit tun, Ende Juni, wenn es heiß ist und das Heu auf den Wiesen duftet, wenn nachts die Glühwürmer auf -würmerinnensuche leuchten und Heuschrecken und Grillen ihre Konzerte geben? Gut, er könnte sich tagsüber in den Schatten setzen, natürlich mit einem kühlen, meinetwegen auch coolen Getränk, die Hitze des Tages lesend oder auch dösend überstehen, am Nachmittag eine Runde mit den Kindern schwimmen, um am Abend mit Freunden und Familie im Biergarten zu sitzen oder den Grill anzuwerfen. Das könnte ein Mensch im Juni tun (wenn er ein Minimum an Verstand hätte, natürlich). Er könnte aber auch am Montagmorgen am Ufer des Ammersees in ein schwankendes Segelbötchen klettern, eben das mit dem schönen Namen "Saibling", und jeden Tag, fünf Tage lang, Segel setzen, dicht holen, fieren, reffen oder wieder aufräumen, anluven oder vom Wind abfallen, Wenden, Halsen oder Aufschießer - wahlweise nahezu, indirekt oder vollständig - segeln, Bojen über Bord werfen und mit Q-Wenden wieder aus der Seenot retten, Seemannsknoten üben, bis die Finger schmerzen und sich von der Sonne am Himmel und ihrer Reflexion durch das Wasser einen Sonnenbrand holen; denn auf dem Wasser ist Schatten bekanntlich rar. Ich weiss, ich weiss, jeder Mensch, der halbwegs bei Verstand ist, würde die erste Variante wählen, aber ich habe mich für fünf Tage mit diesem Saibling entschieden.




Unsere ersten Segelversuche haben wir auf der hübschen Kunissa vom MTV Dießen gemacht. Aber für so popelige Jungmatrosen wie uns wird natürlich kein H-Boot zum Üben bemüht. Nein, so ein Segelkurs kommt mit einfacheren Vollkunststoffbooten aus. Aber zum Lernen war unser robustes Schiffchen wunderbar.




Die ganze Atmosphäre in dieser alten Segelschule ist einfach nett. Alte Holzstege, alte hölzerne Bootshäuser, und ganz oben im Haupthaus wohnt den Sommer über einer der Bootsführer, damit immer jemand ein Auge auf die Boote und die Anlage haben kann.





Aber nicht nur ein Aufpasser wohnt da. Auch andere Mitbewohner haben sich eingefunden.




Die kleinen Rauchschwalben sahen am Montag proper und fertig aus und am Dienstag hatten sie das Nest schon verlassen und bettelten ihre Eltern von der Stange neben dem Nest her an.
Wenn wir dann am Abend erhitzt und müde unser Boot am Anleger vertäut, Segel und Schoten verräumt und aufgewickelt - pardon, aufgeschossen -  hatten, sind wir noch ein bisschen in Dießen herumgewankt, haben mit Freunden gefuttert oder sind lahm und müde in unsere Betten gefallen. Mich jedenfalls haben nicht einmal die regen Glühwürmchen, die ich sonst so romantisch finde, wach gehalten. Ich habe sogar im Schlaf noch Kurse und Segelstellungen überprüft und korrigiert.
Dießen ist ein ruhiges Örtchen und hat ein veritables Münster vorzuweisen, das wir aber am Abend nur mehr von außen besichtigen konnten.




Eine besonders fromme Perspektive vor der Westfassade ... 



... und eine schöne, zierliche Pforte:




Jedenfalls ist die Umgebung des alten Augustiner-Chorherrenstifts sehr malerisch. Es gibt eine Winterkirche - St. Stephan - im alten Traidkasten, die in ihren Proportionen fast romanisch wirkt ...




... mit einer ausdrucksvollen Maria auf der Flucht ...




... und einen Innenhof mit Kreuzwegfiguren von Josef Kaindl und Tausenden von Rosen.






Für weitergehende Besichtigungen und Entdeckungstouren waren wir einfach zu müde. Aber am letzten Abend haben wir noch dem heiligen Berg der Bayern - Andechs - einen Besuch abgestattet, aber nicht um den berühmten Reliquienschatz zu besichtigen und Geist und Seele zu stärken, sondern wir waren rein auf leibliche Genüsse wie Schweinshaxe und das berühmte Bier aus. So haben wir unseren Segelurlaub gemütlich ausklingen lassen. Nach diversen Wenden, etlichen Kurskorrekturen und einem perfekten Aufschießer in der heimatlichen Garage sind wir todmüde, aber zufrieden mit uns in unsere Kojen gesunken. Ich freue mich schon auf das nächste Mal, wenn wir Segel setzen.


miscellanea

3 Kommentare:

  1. Liebe Petra, ein herrlicher Bericht über Euer Ansegeln...ich als alter Bootszwerg habe mich köstlich gefreut und erinnere mich gerade an meine Motorbootprüfung, wo ich einigen Kollegen heimlich die geforderten Knoten geknüft habe.....Habe dieses Wochenende gefühlte 1000 Brötchen aufgeschnitten, auf einem großen Mittelalterfest..
    und freue mich auf Dich ganz bald in Upflamör

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  2. Ich habe jetzt auch schmunzeln müssen bei Deinen Bericht aber ich hab' Dich jetzt auch ein bissi beneidet. Bin schon als Kind gesegelt und hatte auch ein eigenes Boot und dann später hab' ich mich halt doch für's Reiten entschieden - beides geht nicht.
    Und das wo wir doch so einige Seen vor der Haustür haben ... Würde mir auch mal wieder Spaß machen ...
    Liebe Grüße

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  3. Liebe Petra, wenn ich das so lese, stelle ich fest, dass du sehr viel gelernt hast (theoretisch). Und dass du trotzdem noch Zeit gefunden hast zu fotografieren !!!! Das kannst nur du.

    Schöne Grüße vom strengen "Segeldrachen"

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Ich freue mich über euere Kommentare. Danke, dass ihr euch die Zeit dafür nehmt :-)))

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