Seiten

Dienstag, 21. August 2012

Touristenflachrennen


Sonntag vor acht Tagen sind wir ausgeflogen, Richtung Garmisch. Man beachte: Garmisch, an einem Sonntag, im Ferienmonat August. Ich weiss ja, dass ich manchmal nicht ganz dicht bin, aber dass mir das einmal passieren könnte ... Zuerst habe ich meine Gemsen am Fuß der Höllbachklamm abgesetzt, damit sie sich langsam und natürlich zu Fuß in lichtere Gefilde hocharbeiten konnten. Aber ich wollte höher hinaus. Ich habe mir - touristisch gesehen - die Kante gegeben und mich an der Eibseeseilbahn angestellt, mal eine schlappe Stunde, um mich dann, um 49,50 Euronen erleichtert, in eine doch etwas schmuddelige Gondel gepfercht, mit gefühlten 200 anderen Wahnsinnigen, eingeklemmt unter der Achselhöhle eines Silberrückengorillas - er roch auch so - bergan zum Gipfel der Zugspitze tragen zu lassen.





Die Bergwand ist schlicht atemberaubend, aber auch eine Gondel gedrängt voller Menschen, von denen ein paar jüngere männliche Exemplare um halb zwölf schon ordentlich getankt haben und die bei jedem Masten in ein bierseliges "Aahhhh" ausbrechen, kann das Atmen sehr erschweren. Als ich dann oben aus der Gondel geschoben wurde, waren da schon Hunderte anderer Leute - es ging zu wie am Stachus zur Hauptverkehrszeit (Na, jeder kriegt, was er verdient. Wo man nur zu Fuß hingehen kann, geht es nie so zu).





Die Leute haben sich sogar angestellt, um einmal neben dem Gipfelkreuz stehen zu können. Ich finde es auch gut, dass der höchste Gipfel den Leuten vorbehalten ist, die wirklich zu Fuß und mit der richtigen Ausrüstung auf diesen Berg gestiegen sind; eigentlich, denn es gibt tatsächlich Leute, die mit Shorts und Turnschuhen die Gipfelterrasse verlassen, um die nur scheinbar ungefährlichen letzten Meter des Klettersteigs zum Gipfel zu bewältigen. Wahrlich der Gipfel der Unvernunft!



Da kann der Zugspitzgeist nur noch sein nebelumwabertes Haupt mit Grausen abwenden.



Weil ich noch keinen Happen gegessen hatte, habe ich mir eine Bratwurstsemmel gegönnt. Die war zwar nicht aus Gold, hätte es dem Preis nach aber sein können. Außerdem musste ich sie mit den Dohlen teilen. Aber die haben dort oben Hausrecht, also war ich es ihnen schuldig. Die sind so putzig. Die nehmen die Happen sogar aus der Hand.
Der Tag war strahlend schön, nur ab und zu trieben ein paar Wolken trocken wie Rauch vorbei, und die Aussicht ist herrlich und entschädigt für alles.




Man steht tatsächlich in den Wolken! 
Ich war jetzt zum zweiten Mal da oben. Das erste Mal - das muss kurz nach der Erstbesteigung gewesen sein, so lange ist das schon her - waren wir ziemlich allein. Da konnte die Majestät dieser Berge viel besser wirken.
Mit der Gletscherbahn ging es weiter vom Gipfel zum Zugspitzplatt. Dort, mitten im felsigen und lebensfeindlichen Nirgendwo neben dem Rest des Gletschers, der ein bisschen aussieht wie schmutziges Styropor, gibt es ein Restaurant und ein Café. Die stehen dort wie gelandete Ufos, und als ich ankam, gab es gerade einen "Wiesn-Countdown" mit Blasmusik, im Café saßen einige ältere Damen und Familien mit Kindern. Begleitet von einem Pulk schnatternder Kinder und einer russischen Reisegruppe habe ich mich in die Kapelle geflüchtet, die für die Opfer des Lawinenunglücks von 1965 errichtet worden ist. Das war aber auch kein ungetrübtes Vergnügen, weil die Kinder Verstecken spielen mussten und die Erwachsenen ungeniert plauderten. Also zurück zur Station und zur Zugspitzbahn. Ich kann es nicht beschwören, aber bevor ich die Station betreten habe, konnte ich aus dem Augenwinkel sehen, wie ein Mann im Bademantel und mit einem Handtuch unter dem Arm die Bistr-O-Math betrat, aber das ist ein Problem anderer Leute. 
Dem Gipfel entkommen, habe ich mir das Gegenprogramm zum Trubel gegönnt und den Rest des Tages im Freilichtmuseum Glentleiten verbracht. Ich bin zu Fuss, ganz ohne überfüllte Gondel und Menschenmassen, umhergewandert, bin eingetaucht in die Lebenswelt früherer Tage. Es gibt auch neben den wiederaufgebauten alten Bauernhäusern überall etwas zu entdecken. Dieses Bildstöckl zum Beispiel ruft zum Gebet für die im Fegefeuer büßenden Seelen auf. Damit man immer weiss, wie viele Ave Maria und Vaterunser man schon gesprochen hat, gibt es eine Reihe von Perlen als Gebetszähler. Und auch die armen Büßer im Purgatorium schauen angemessen betrübt und zählen fleissig mit.



Einige der alten Bauernstuben sind wunderbar ausgemalt. Diese Malereien stammen aus dem 17. Jahrhundert. Da war sogar ein hübscher Drache mit Heiligem Georg, der aber einfach nicht scharf auf ein Bild gebannt werden mochte.




Seit meinem letzten Besuch ist diese Sägewerkshalle aus den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts neu dazu gekommen, als Beispiel früher Industriearchitektur auf dem Lande:



Sie hat ein elegantes, freitragendes Gewölbe aus verschraubten Brettern, ganz modern.



Aber außen musste es dann doch wieder ein bisschen Oberbayern sein:



Zäune, die meisten sind einfach, aber wirkungsvoll und dabei schmückend und individuell. Es müsste ja bei einem heutigen Garten nicht unbedingt so ein martialisch zugespitztes Exemplar wie dieses sein, aber die Konstruktion mit den geflochtenen Ruten ist genial.



Die Häuser sehen von außen alle sehr malerisch und idyllisch aus.



Aber innen überraschte auch dieses Haus, wie viele andere, mit den Härten, die das Leben früher auch prägten. Wie Frauen in düsteren, verrauchten Küchen auf offenem Feuer und mit schwerem Gerät hantierend ihre oft sehr großen Familien und das Gesinde bekochten, ringt mir noch heute Bewunderung ab (und du bist oft schon zu faul, den Schalter am E-Herd umzudrehen). 



Vor jedem Haus steht eine Hausbank, schmerzlich vermisst bei heutigen Häusern, wenigstens von mir. 



Auf mindestens einem halben Dutzend von ihnen gab es ein Päuschen. Mal in der Sonne, mal im Schatten. Auf der letzten habe ich sogar ein bisschen gestrickt und mir vorgestellt, wie es wäre, in so einem Bauernhof zu leben, vielleicht mit dem Ausblick ins Blaue Land:



Schafe kommen ins Bild:



Hier sind alle vereint: Der Ausblick, die Wollproduzenten und das Endprodukt:



Ein schwebend leichter, ganz zeitloser Augenblick.
Ich bin dann zurück nach Garmisch gefahren, um meine müden Bergsteiger einzusammeln. Nach Hause kamen wir nur durch den obligaten Augustferiensonntagabendstau - allein von Garmisch zur Autobahn eine Stunde. Schön war es trotzdem. 
Aber um die Zugspitze werde ich zukünftig einen Bogen machen. Ich will ja nicht von Aliens entführt werden und sei es zum Restaurant am Ende des Universums.

miscellanea

7 Kommentare:

  1. Traumhafte Bilder!!! Nur bei den olfaktorischen Eindrücken der Gondelfahrt bin ich ganz froh, selbst _nicht_ da gewesen zu sein *ggg*

    AntwortenLöschen
  2. Wieder mal ein wunderschöner Bericht und schöne Fotos. Gib zu, dass Du nicht freiwillig das Freilichtmuseum verlassen hast und sie Dich mit Wasserwerfer und Hundertschaft entfernen mussten - samt Deinem Strickzeug - wie das halt so ist bei Hausbesetzern...
    Herzlichste Grüße von der Croft's Lara

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Na ja, die Wasserwerfer waren bei der Hitze das geringste Problem, aber da ich mich an die Hausbank gekettet hatte, mussten sie die auch mitnehmen. Jetzt habe ich eine Hausbank, fehlt nur noch das Haus, um sie davor aufzustellen. Aber das wird noch. Nächstes Mal kette ich mich an die Mauern.

      Löschen
  3. Da schliess ich mich Lavarie total an ;-)))))

    AntwortenLöschen
  4. rofl, Petra, deine Worte treffen wieder mal auf den Punkt...Herrlicher Bericht

    AntwortenLöschen
  5. Deine Fotos sind wieder meisterhaft und der Bericht so lebendig.
    LG
    Marianne

    AntwortenLöschen
  6. Vielleicht hättest du ja doch den Weg zu Fuss nach oben nehmen sollen? Dann wär dir einiges erspart geblieben - allerdings auch uns der kurzweilige Bericht und die wunderschönen Bilder. Also war doch alles richtig. Und das du ein Hausbankdieb bist, bleibt selbstverständlich unter uns ;o) Liebe Grüße, Anke

    AntwortenLöschen

Ich freue mich über euere Kommentare. Danke, dass ihr euch die Zeit dafür nehmt :-)))

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...