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Montag, 11. August 2014

Betonieren Sie Ihren Garten ... (Seife Nr. 86)

... und Sie haben keinen Ärger mehr mit dem Unkraut! - heisst es in der Werbung einer österreichischen Betonfirma aus dem Jahr 1972. Unkraut, in diese Rubrik fällt auch der Ackerschachtelhalm. Und zum Glück sind nicht alle diese faszinierenden Pflanzen und auch die wenigsten Gärten unter einer Betondecke verschwunden, zumindest bisher.
Denn dieses bescheidene, aber hartnäckige Pflänzchen ist nicht nur Fehlbewuchs aus gärtnerischer Sicht, es ist auch eine alte Arzneipflanze, Abkömmling einer Pflanzengruppe, die so uralt ist, dass es die Leiden, gegen die es uns heute helfen soll, teilweise noch gar nicht gab, als die Welt schon voller Schachtelhalme war, so riesig, dass man in ihrem Schatten spazieren gehen konnte. Wenn es denn damals schon Menschen gegeben hätte, die sich beim Herumschlendern Gedanken über Rheuma, Harngrieß und Tuberkulose gemacht hätten, oder über fettiges Haar, schlaffes Bindegewebe und Cellulite. Entzündungshemmend, blutreinigend, abschwellend, ausschwemmend, bindegewebsstraffend, verjüngend (hoho) - lauter Wirkungen, die dieser erstaunlichen Pflanze zugeschrieben werden. Sogar putzen könnte man mit den Wedeln, früher benutzte man sie, um Zinn auf Hochglanz zu scheuern, daher der Name Zinnkraut. Möglich wird das alles durch den hohen Gehalt an Kieselsäure, die in den Zellwänden der Pflanze eingelagert ist.
So ein Wunderkraut nur als lästigen Mitbewohner unserer Gärten zu klassifizieren ist schlicht ungerecht. Außerdem haben die Schachtelhalme, wie erwähnt, eine großartige Vergangenheit. In den Steinkohlesümpfen der Karbonzeit wucherten sie bis in Höhen von über 30 Metern, mit dem entsprechenden Stammdurchmesser natürlich. Als sie sich anschickten, zu der Kohle zu werden, die wir heute so leichtsinnig verheizen, hatten sie schon eine Stammesgeschichte von ca. 15 Millionen Jahren hinter sich. Es gibt sie also seit unvorstellbar langen 375 Millionen Jahren. Das müssen wir diesem Unkraut erst einmal nachmachen.
Langer Schreibe kurzer Sinn: Es war an der Zeit, sich einmal angemessen vor den zierlichen Nachkommen der Kohlebäume zu verneigen und eine Seife zum Thema zu sieden (was sonst?).
Was könnte man also in so ein Seifenstück hineininterpretieren. Natürlich ein bisschen Erdgeschichte, die zeitliche Dimension, dafür etwas Kohle, zwar gemogelt, da keine Stein-, sondern Holzkohle, aber was soll's? Dann Kieselerde, stellvertretend für die Kieselsäure, auch ein bisschen krumm als Bild, aber gut für die Haut und wie Kohle über Jahrmillionen hin abgelagert. Für die krautig-unkrautige Note ein Teil Distelöl; und dann ein Teil Mandelöl, aus keinem anderen Grund, als dass ich es gerne mag. Und dann, ganz klar, der Schachtelhalm selbst. Das trockene Kraut an sich ist ziemlich blass, grün-grau. Die Überraschung ergibt sich nach dem Mahlen, was für eine knallige Farbe!


Das gesamte Rezept sieht dann aus, wie folgt:
250g Distelöl (ölsäurereich)
250g Mandelöl
275g Kokosfett
25g Bienenwachs (weiß)
Geplante Überfettung: 5-6%
Ein Hauch von Salz und Zucker für die Lauge, Wasser reduziert auf zwei Drittel
Farbe: Holzkohle; Nicosiagrün für den Leim ohne gemahlenen Schachtelhalm
Kieselerde für den gesamten Seifenleim, gemahlener Schachtelhalm für die untere Seifenschicht
Duft: PÖ Green Tea

Und das ist dabei herausgekommen: Das Schachtelhalmmehl, von dem ich dachte, dass es im Seifenleim sofort braun werden würde, färbt quietschgrün. Ich bin gespannt, wie lange die Farbe hält.



Das Nicosiagrün wirkt richtig blass dagegen, ebenso wie die Holzkohle nur zart grau geworden ist, aber das finde ich schön so.


Eigentlich würde ich zwei so unterschiedliche Grüntöne nicht miteinander kombinieren. Das Farbergebnis überrascht mich. Aber ich muss zugeben, ich finde die Seife sehr apart.


Und üerntwie hat sie alles: Was früher war, was heute wächst und sich nie unterkriegen lässt, Siliziumschrubbel und ölige Pflege. Und gefällig anzusehen ist sie auch.
Wozu so ein unscheinbares Kraut alles gut sein kann. Man muss nur genau hinsehen.

miscellanea

5 Kommentare:

  1. Ich finde sie wunderschön - sieht für mich aus wie Feld und Wiese mit ganz viel Schachtelhalm und zartblauer Sommerhimmel mit faszinierenden Wolkengebilden. Übrigens ... mein Garten hat gar nicht so über die Stränge geschlagen, sondern ist irgendwie immer ein bisschen vernachlässigt-gewollte leichte Wildnis ... (gute Ausrede, gell?!). Ganz liebe Grüße

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  2. Deine Seife ist eine Augenweide !
    Mit Zinnkraut kann maan übrigens auch Wolle färben, also ein echter Tausendsassa. Leider oder GsD ist es eines der wenigen Wildkräuter die nicht in meiner Wildnis auch Garten genannt wachsen, man kann nicht alles haben. ;O)
    Der Ackerschachtelhalm im plattdeutschen "Duwocken" ist ein Anzeiger für verdichtete Böden.
    eine schöne Restwoche
    Andrea

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  3. Ich find sie auch wunderschön. Wie ein Gemälde

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  4. Wunderschön und so eine tolle Komposition der Inhaltsstoffe!
    Ganz was Besonderes! LG

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Ich freue mich über euere Kommentare. Danke, dass ihr euch die Zeit dafür nehmt :-)))

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