Portsmouth Historic Dockyard - Hinter diesem Namen verbergen sich zwei berühmte historische Kriegsschiffe, zwei sehenswerte Museen und noch so einiges an Drumherum. Jedenfalls genug Abwechslung für mindestens einen Tag.
Zuerst haben wir uns die riesige HMS Warrior von 1860 angeschaut, das einzige viktorianische Kriegsschiff dieser Größe, das noch existiert. Sie hatte Platz für eine über 700 Mann starke Besatzung und konnte segeln oder mit Dampf fahren. Das ganze Schiff ist voller Kanonen, sogar in den - übrigens winzigen - Offizierskabinen stehen welche. Die Besatzung lebte zwischen den Kanonen, dort standen die rohen Holztische, und schlief über den Kanonen, dort wurden die Hängematten aufgehängt. Alles ist sehr durchdacht und praktisch eingerichtet, aber ohne jeglichen Komfort. Eine Ausnahme bilden da nur die Offiziersmesse und die Kapitänskajüte, ansonsten herrschte drangvolle Enge.
Hier ein Foto der Galionsfigur der HMS Warrior, ein griechischer Krieger, und im Hintergrund der Spinaker Tower. Wir sind nicht nach oben gefahren, weil wir an dem Tag ohnehin nichts als Regenwolken gesehen hätten:
Aber unter dieser Adresse gibt es einige Fotos aus dem Schiffsinneren, zwar aufgehübscht und perfekt ausgeleuchtet, aber man kann trotzdem sehen, dass eine Reise mit diesem Kahn keine Kreuzfahrt war. Interessant ist auch, dass das hochgerüstete Schiff nie in einem Krieg gekämpft hat. Das ist irgendwie versöhnlich.
Das zweite Kriegsschiff, die HMS Victory, trieft hingegen vor Schlachtenruhm. Es war das Schiff, mit dem Admiral Nelson die Schlacht von Trafalgar gewann, in der er auch tödlich verwundet wurde.
War die Warrior schon eng, so trifft das im höchsten Maß auf die Victory zu. Ein normalgewachsener Mann von heute kann in dem Schiff kaum aufrecht stehen. Ich bin ungefähr 1,73m groß und habe mir diverse Male den Kopf gestoßen. Der Kapitän der Victory, Thomas Hardy, war über 1,90m groß. Er konnte nur an ein oder zwei Stellen im Schiff aufrecht stehen. Wenn er sich aufrichten wollte, musste er an Deck gehen. Wie man unter solchen Umständen leben und arbeiten (und Gefechte führen) kann, ist mir unerklärlich. Aber erst die Mannschaft! Auf der Warrior, die immerhin mehr als 127m lang ist, taten ca. 700 Mann Dienst. Die Victory ist nur 69m lang und hatte bei Trafalgar eine Besatzung von 850 Mann. Mein Gott bin ich froh, dass ich kein Seemann in dieser Zeit sein muss. Ich habe mich gefragt, wo denn diese Leute alle Platz gefunden haben. Natürlich, der eine Teil hatte zu arbeiten, der andere Teil hatte Pause. Trotzdem waren ja alle auf diesem einen Schiff - Für uns Mitteleuropäer heute unvorstellbar. Besonders nachdenklich hat mich die "Kabine" des Schiffszimmermanns gemacht, fensterlos, ca. zwei Meter breit und lang und so niedrig, dass auch ein sehr kleiner Mann unmöglich darin stehen konnte. Warum der Mann sich jeden Abend in seine Streichholzschachtel von Bett faltete und wie er das machte, ist mir ein Rätsel. Wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre, hätte ich mir eine Hängematte in die weit geräumigere Schiffszimmerei gehängt. Aber vielleicht hat das Gefühl, auf so einem Schiff Platz ganz für sich allein zu haben, die Enge wett gemacht. Als ich aber dann gelesen habe, dass die Ehefrau des Mannes mit in seiner Kabine wohnen durfte, wenn das Schiff im Hafen lag (einige Leute blieben auch da an Bord), blieb mir der Mund offen. Wohin hat der seine Holde verstaut?
Von der Victory gibt es auch schöne (wiederum viel zu freundliche) Bilder eingestreut unter dieser Adresse. Von mir nur eines, ganz charakteristisch für das gesamte Schiff:
Nach einer Hafenrundfahrt (Es gab eine Anzahl moderner Versionen der Victory zu sehen. Die haben sogar Ladestationen für die I-Pods der Besatzung. Ob das den Tod im Krieg angenehmer macht, sei dahin gestellt, die Zeit bis dahin verbringt man auf jeden Fall angenehmer als auf einem der alten Schiffe) ging es in eines der Museen, das für die Mary Rose. Die Mary Rose war ein Kriegsschiff (Was auch sonst?) aus der Zeit von Heinrich VIII. und ist aus bis heute ungeklärten Gründen vor Portsmouth gesunken. Das erstaunlich gut erhaltene Wrack ist in den 80ern gehoben worden und soll ab 2016 in einem eigens gebauten Museum zu sehen sein. Bis dahin gibt es ein kleineres Museum, in dem die bisher geborgenen Funde ausgestellt werden: Leder, Kleidung, Waffen, Schmuck, Alltagsgegenstände etc. Alles aus der Tudorzeit, ein sehr interessantes kleines Museum.
Nach diesem Tag, den wir sozusagen in Kanonendonner und testosterongeschwängerter Luft verbracht hatten, waren wir am Donnerstag faul, in altbewährter Manier: Kochen, ratschen, etwas shoppen (Fre ... ja, ja, ja - mit Fressen und Eisnaschen, besserwisserischesaas...)
Aber am Freitag ging es nochmals ab nach London, wieder einmal ins Victoria and Albert Museum, eins meiner liebsten Museen. Schon allein die Eingangshalle mit diesem gigantischen Glaskronleuchterdingens ...
... ist einfach spektakulär:
Diesmal waren wir zuerst in einer Sonderausstellung über die Ästhetische Bewegung im viktorianischen England, eine der Wurzeln des Jugendstils:
Ja nun, eine Menge Pfauen, schmollippiges Weibsvolk in fließenden Gewändern, einige sehr schöne Einzelstücke, gute Graphiken und einige hübsche Möbel. Obwohl ich den Jugendstil sehr mag, er ist radikal und das Design ästhetisch ansprechend, so kann ich mich doch mit dieser viktorianischen Bewegung nicht wirklich anfreunden. Es wirkt alles so gekünstelt.
Mittelalterliche Kunst, und hier vor allem die frühmittelalterliche, liegt mehr auf meiner Linie.
Deshalb haben wir uns in die Dauerausstellungen davongemacht. Hier einige Impressionen von Kunst und Kunsthandwerk aus den Mittelaltersälen im V&A. Ich bin immer fleißig am Sammeln von möglichen Vorlagen. Ich möchte so etwas einmal auf Papier malen, auf Stoff drucken oder sticken:
Hier das Bild eines Vogels auf einem Keramikteller. Ist der nicht niedlich?
Oder dieser Spielstein mit einem Drachen, auch vor der vorletzten Jahrtausendwende entstanden:
Und dieser Olifant mit seinen reichen Schnitzereien - Sehen die Tiere, obwohl stark stilisiert, nicht aus, als würden sie gleich losspringen? Leider konnte man das Horn nicht richtig fotografieren.
Besonders entzückt hat mich diese Emailplatte mit dem Kamel. Das müsste man einmal auf eine einfach geschnittene, naturfarbene Leinenjacke sticken, in genau in diesem leuchtenden Blau, mit so einem grünen Reiter und den roten Akzenten:
Dann gab es noch eine Menge Drachen aus vielen Jahrhunderten, auf Stoff, gestickt, appliziert, gewebt. Drachen gehören definitiv zu meinen Lieblingstieren. Ich hätte auch gerne einen als Haustier. Da bin ich mit Hagrid völlig einer Meinung. Da sie aber selten in private Hände abgegeben werden, muss ich mich wohl mit Bildern begnügen.
Hier ist einer, der nach der Vorlage aus einer Buchillustration gestickt worden ist, zur Demonstration mittelalterlicher Sticktechnik:
Diese hier leben mit einer Menge Kumpel auf einem Wandbehang aus dem 14. oder 15. Jahrhundert:
Der hier ist ganz edel, nur gewebte Struktur mit ein paar bunten Hervorhebungen:
Und dieser Ausschnitt aus einem Wandbehang, der einmal in einer Burghalle hing, zeigt den heiligen Georg mit dem Drachen (Ich bin sicher der arme Drache hat Georgs Pferd nur aus Hunger gemeuchelt). Das ganze Bild ist in Wirklichkeit viel leuchtender. Der ganze Wandbehang ist aus bunter und schwarzer Wolle appliziert, eine sehr schöne Arbeit. Dass der Heilige aussieht, als würde er den Drachen mit einem leuchtenden Zauberstab bedrohen (oder wie Obi Wan Kenobi mit seinem Laserschwert - Komm mit auf die bunte Seite der Wolle. Da ist es kuschelig), daran trägt der Fotoblitz die Schuld.
Ach ja, Drachen! Was gab es noch zu sehen bei Vicky und Berti? Eine bemalte Deckenschindel, mit einem ganz possierlichen Eledil, nein Krokofanten, nein Elefanten. Seine Tierkollegen auf den anderen Schindeln waren auch sehr nett, aber ich konnte nicht alle fotografieren:
Wir haben uns dann noch die Theaterausstellung reingezogen, aber die Textilausstellung öffnet erst wieder nächstes Jahr (schistimatucci). Zum Abschluss haben wir noch einen Schlenker zu den Eisenarbeiten gemacht - Eisentüren, Gartenzäune, Kamingitter, Kerzenhalter, Blechdosen ... (schnarch). Das war aber interessanter, als ich erwartet hatte, und da habe ich noch einen, nein zwei Drachen gefunden. Guckst Du:
Als wir uns aus dem Museum verabschiedet hatten (Ja, sie haben uns wieder rausgelassen), war das Wetter etwas weinerlich, später verfiel es dann in einen ausgesprochenen Weinkrampf, was uns stracks in den Zug und von dort in ein schönes Pub getrieben hat, wo wir uns an lecker Futter delektierten, bevor wir todmüde ins Bett geplumpst sind.
Am Samstag ging's dann wieder zum Flughafen. Von dort sind wir kaum weggekommen. Als wir bereits im Flugzeug saßen (Das war schon wegen Unwettern zu spät gelandet), gab es einen Notarzteinsatz (Stewardess: Ist ein Arzt an Bord? Bitte beim Kapitän melden! Der alte Herr neben uns: Aber der Kapitän hat sich doch gerade noch so munter angehört - Schließlich wurde eine kranke Dame einschließlich ihres Gepäcks wieder ausgeladen), dann wurde der Start wegen einer Notlandung verschoben (Feuer an Bord, keine Starts und Landungen, bis das Feuerschiff sicher gelandet war), dann gab es Stau (Eine Menge Flugzeuge wollte plötzlich starten und landen), dann Gewitter (Ab da hat der Kapitän gestreikt. Von da an musste die Chefstewardess durchsagen). Aber schließlich hieß es doch: Farewell, merry old England. Bis zum nächsten Mal.
Zuhause sind wir unserer Katze in die Arme und dann ins Bett gefallen. Ach, zuhause ist es ab und an auch schön (Aber im Urlaub ist es schöner).
miscellanea
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